"Ich bin der letzte Dichter der deutschen Sprache, das letzte deutsche Genie." Er scheint an Größenwahn zu leiden, der kränkelnde, freche und zugleich schüchterne, vor allem aber sehr begabte Gymnasiast Eugen Berthold Brecht aus Augsburg. Und er hat eine Mission: "Ich werde der Welt zeigen, wie sie ist, aber wie sie wirklich ist." So verkündet er es seinen Freunden, Freundinnen und Bewunderern, und sie glauben es ihm. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und auf dem liegen viele Steine. Zuerst gestolpert wäre er fast über einen Schulaufsatz. "Es ist süß und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben" - so steht es an der Tafel, und dazu sollen die Schüler sich bekennen. Lebensgefährlicher Unsinn, befindet der Schüler Brecht: "Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld." So viel materialistische Frechheit lässt den Konrektor toben, Brecht entgeht nur knapp einem Schulverweis.
Brechts Freund Caspar Neher hat sich freiwillig gemeldet, aus Neugier, wie er sagt. Er wird an der Westfront verschüttet, ausgegraben und wieder zurückgeschickt ins große Sterben. Brecht schreibt seine "Legende vom toten Soldaten", der als Leiche ausgegraben und unter Tschindrara wieder an die Front geschleppt wird "wie ein besoff'ner Aff". Brecht selber tut nur kurz Kriegsdienst in der Heimat, in einem Lazarett für Geschlechtskranke. Währenddessen schreibt und schreibt er. Die größte Hoffnung setzt er auf seinen "Baal", das immer wieder überarbeitete Drama vom anarchischen, genusssüchtigen Schriftsteller, der sich rücksichtslos über alle gesellschaftlichen Normen hinwegsetzt und bereit ist, dafür zu zahlen.
Jahrelang hat Brecht um Paula Banholzer, seine "Bi", geworben. Sie ging noch zur Schule. Nun ist sie schwanger. Heiraten dürfen die beiden nicht, ihr Vater ist strikt dagegen. Sie wird das Kind in einem Dorf im Allgäu zur Welt bringen - wegen der Schande - und später dort in Pflege geben. Brecht lernt bald noch eine andere Frau kennen. Die Beziehung mit Marianne Zoff, einer Opernsängerin, entwickelt sich dramatisch. Sie ist seit Jahren schon mit einem Geschäftsmann und Verleger liiert; und Brecht ist rasend eifersüchtig, obwohl er selbst an Bi festhält. "Ich will Timbuktu und ein Kind und ein Haus und ohne Tür und will allein sein im Bett und mit einer Frau im Bett ...". Brecht will alles haben. Und warum? "Mit der Begründung, dass ich nur einmal vorhanden bin!"
Als Marianne ein Kind verliert, das sie von Brecht erwartet, wittert er Verrat und verflucht sie. Sie heiraten, als sie wieder schwanger ist. Brecht hat die Spielfläche seiner Jagd nach Erfolg längst von Augsburg nach München verlegt, aber er weiß, dass alle Karrieren in der Reichshauptstadt entschieden werden. Berlin jedoch erweist sich als kalt und abweisend. Dort kommt man nur mit rücksichtsloser Härte durch. Seinen ersten Erfolg feiert er in München. In den Kammerspielen hat "Trommeln in der Nacht" Premiere. Der Kriegsheimkehrer Kragler verweigert sich der Räterevolution, stattdessen verzieht er sich ins breite, weiße, bürgerliche Bett. "Glotzt nicht so romantisch!", herrscht er das Publikum an - episches Theater. "Der vierundzwanzigjährige Bert Brecht hat über Nacht das dichterische Antlitz Deutschlands verändert!", schreibt der aus Berlin zur Premiere angereiste Theaterkritiker Jhering und bescheinigt ihm Genie. Der endgütige Durchbruch ist es trotzdem nicht.
Mit dem Münchner Erfolg im Rücken versucht es Brecht ein weiteres Mal in Berlin, zusammen mit Arnolt Bronnen, seinem neuen Produktions- und Selbstvermarktungsfreund. Bronnen führt ihn auch bei der jungen Schauspielerin Helene Weigel ein. Die verfügt über reichlich Talent, kann wienerisch kochen und hat ein schönes Atelier in der Spichernstraße 16, gleich unterm Dach. Hier schlägt Brecht bald sein Hauptquartier zur Eroberung der Metropole auf. Die beiden werden ein Paar fürs Leben. Seine Bedingung: "keine Tribute." Liebe nur als Geschenk. Als der gemeinsame Sohn Stefan zur Welt kommt, ist die Ehe mit Marianne Zoff noch lange nicht geschieden.
Seine Jugendliebe Bi hat inzwischen in Augsburg einen Handelsvertreter geheiratet. Brecht hat es vergeblich zu verhindern versucht. Er kann sich nun, auf Kosten seines Verlegers, eine Sekretärin zulegen. Elisabeth Hauptmann - Bess, wie er sie nennt - passt wunderbar zu ihm: Sie kann tippen, Englisch, sie ist eine ideale Gesprächspartnerin - so etwas braucht er unbedingt! Und sie kann ihm dramaturgische Tipps geben. Nebenbei wird sie seine Geliebte. Sie macht ihn auch mit einem englischen Stück aus dem 18. Jahrhundert bekannt, "The Beggar's Opera". Als der frischgebackene Theaterunternehmer Ernst Josef Aufricht händeringend ein Eröffnungsstück für sein Theater am Schiffbauerdamm sucht, kann Brecht ihm ein Nebenwerk anbieten, das er gerade zusammen mit Bess in Arbeit hat: "Die Dreigroschenoper". Einer der vielen glücklichen, unwahrscheinlichen Zufälle, die - neben der Musik von Kurt Weill - diesen größten Theatererfolg der Weimarer Republik erst möglich machen.
Brechts Karriere hat einen Höhepunkt erreicht. Statt auf dem Erfolgskurs der Komödie mit Musik weiterzusegeln, geht er nun einen ganz anderen Weg. Schon seit Mitte der 20er Jahre hat er sich mit dem Marxismus beschäftigt, um die Ökonomie zu verstehen. Nun politisiert er sich zunehmend.
"Schießen die wirklich?" Beim "Blutmai" 1929 musste er schreckensbleich mit ansehen, wie die sozialdemokratisch geführte Polizei auf demonstrierende kommunistische Arbeiter geschossen hat. 1931 schreibt er, nach einem Roman des sowjetischen Vorzeigedichters Maxim Gorki, "Die Mutter". Darin stellt sich Pelagea Wlassowa an der Spitze einer Demonstration der zaristischen Polizei entgegen. Helene Weigel singt in einem Probenkeller am Kurfürstendamm, was die Mutter im Lauf des Stückes über den Kommunismus gelernt hat: "Er ist das Einfache, das schwer zu machen ist." Sie singt es mit überredender Sanftheit.
Mit dem Machtantritt der Nazis findet Brechts Karriere 1933 ein abruptes Ende. Alles bisher Erreichte scheint verloren. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand sitzen er und Helene Weigel im D-Zug nach Prag, auf dem Weg ins Exil.